Keynotes

Die Besucher*innen der GAL-Jahrestagung dürfen wir dieses Mal zu drei Keynote-Vorträge einladen.

Wir freuen uns auf folgende Vortragende:

Prof. Dr. Nina Janich (TU Darmstadt): „SigNature – Semiotische Landschaften. Ein Forschungsfeld auf: an neuen Wegen“

Die Linguistic-Landscape-Forschung hat inzwischen eine lange und internationale Forschungstradition. Noch konzentriert sie sich aber weitgehend auf den urbanen Raum. Im Vortrag soll ein Forschungsprogramm skizziert werden, das den Begriff der semiotischen Landschaft auch auf Naturraum und Kulturlandschaft überträgt. Damit ändert sich das Forschungsinteresse von einer in der Regel eher soziolinguistischen Betrachtung zu einer stärker raum- und diskurslinguistischen. Am Beispiel von Schildern an Wanderwegen wird versucht, raumlinguistische Ansätze mit LL-Ansätzen konstruktiv zu verbinden, um dann in einer ersten Exploration diskurslinguistisch unterschiedliche Konzeptionen von ‚Natur‘ und ‚Landschaft‘ zu rekonstruieren, wie sie sich insbesondere in Naturlehrpfaden multimodal niederschlagen. Im Sinne der Angewandten Linguistik geht es dabei vor allem um die Frage, welche Konflikte zwischen Tourismus, Landwirtschaft und Naturschutz sich in diesen semiotischen Landschaften und dem kommunizierten Natur-/Kulturwissen manifestieren – und wie diese Konflikte interdisziplinär weiter bearbeitet werden können.

Bildquelle: Mück/Klaus Tschira Stiftung

Prof. Dr. Anne Storch (Universität zu Köln): „Die Gärten alter Frauen und ihre Beziehung zur Angewandten Linguistik“

Mein Vortrag beginnt mit der Frage nach anderen Möglichkeiten der Erfahrung von Sprache. In meinem Versuch, Antworten zu finden, verfolge ich Spuren, die in alte, nun zerstörte Gärten im Sudan und in Nigeria führen. Ich beschäftige mich dabei mit Geschichten und Bildern von Frauen, die diese Orte jeweils als etwas begreifen ließen, in denen Sprache immer wieder transformativ wird. Einmal sind dies Gärten in der Kunst Kamala Ibrahim Ishags (Khartoum School), und dann geht es um Gärten, die in den Erzählungen nigerianischer Bäuerinnen wie Aya Amina (Pindiga) eine besondere Rolle spielten, wo sie zugleich in und um Menschen existierten. Ausgehend von meiner disziplinären Basis in der Afrikanistik und unter Berücksichtigung Indigener Epistemologien entwickle ich dabei Ideen von der Resonanz mit Welt, der Rolle der Toten und dessen, was an Wissen nach dem Verlust bleibt. Dabei zeige ich, dass es nicht nur darum gehen muss, Zuhören als wissenschaftliche Haltung zu entwickeln und zu kultivieren, sondern dass es dabei entscheidend ist, zu verstehen, dass es sich dabei um eine komplizierte Aktivität handelt, die der Gastfreundschaft bedarf. Ich schlage dabei auch vor, disziplinäres Ungehorsam als Ergebnis wissenschaftlicher Arbeit aufzufassen, das es uns erlaubt, uns neu mit Sprache, Fremdsein und Heilung auseinanderzusetzen. Dies führt schließlich in neue Gärten hinein, die im Zusammenhang mit globaler Migration als Orte, in denen Grenzen behandelt werden, beschrieben werden können (man denke an refugeegardens und urbanes guerillagardening). Hier ende ich mit einer weiteren Frage – nämlich danach, ob dies Räume sein können, die es ermöglichen, sich für eine radikale sprachwissenschaftliche Ethik außerhalb kolonialer Vorstellungen von Sprache und Menschsein einzusetzen.

Prof. Dr. Janina Wildfeuer (Universität Groningen): „Und wo bleibt die Sprache…?
Neue Perspektiven für eine multimodale Linguistik digitaler Kurzformate“

Digitale Kurzformate wie TikToks, Reels, Memes oder animierte GIFs sind längst Gegenstand linguistischer Analysen. Ihre multimodale Komplexität stellt jedoch gängige Zugänge vor methodische und theoretische Herausforderungen. Denn Sprache agiert in diesen Kontexten nicht alleine, sondern gerade im Zusammenspiel mit anderen Zeichenmodalitäten: sie wird durch Bild, Bewegung, Animationen oder Musik gerahmt, verstärkt oder auch gebrochen. Trotz ihrer inzwischen doch etablierten Praxis stoßen solche Analyseansätze, die diese vielfältigen Ausdrucksformen gemeinsam untersuchen, jedoch immer wieder auf Skepsis, insbesondere dort, wo sie die Vorrangstellung sprachlicher Einheiten relativieren oder gar in Frage stellen. Wie kann Sprache in solchen Kontexten noch angemessen modelliert werden? Und wie lassen sich multimodale Kommunikationsformen ganzheitlich und systematisch erfassen und auswerten? In meinem Vortrag diskutiere ich diese Fragen anhand aktueller Arbeiten zur Annotation und Analyse digitaler (Bewegt-)Bildkommunikation. Dabei möchte ich zeigen, wie korpuslinguistische und diskursanalytische Verfahren systematisch erweitert und integriert werden können (und sollten), um eine stabile Grundlage dafür zu bilden, aktuelle Sprachverwendung in digitalen Öffentlichkeiten zu beschreiben. Ich argumentiere, dass nur eine ganzheitlich multimodal-analytisch orientierte Linguistik eine Fortführung aktueller Entwicklungen sein kann. Diese erfordert nicht nur oft einen methodischen Mehraufwand, sondern an einigen Stellen auch noch ein konzeptionelles Umdenken hin zu einer Perspektive, die sprachliche, kommunikative Praktiken als koordiniertes multimodales Handeln versteht. Ziel meines Vortrags soll sein, hierfür interdisziplinäre, vielstimmige Wege aufzuzeigen und einzuladen, diese gemeinsam weiterzudenken.